Vom Musikzimmer in den Konzertsaal

Vom Musikzimmer in den Konzertsaal
Die Musik florierte in der Alten Eidgenossenschaft im 18. Jahrhundert, dem Zeitalter der Aufklärung. Die Städte beschäftigten selbst Musiker, sogenannte Stadtpfeifer und Turmbläser, die für die Bevölkerung auf den Marktplätzen oder von Türmen herab musizierten. Wandernde Theatertruppen unterhielten das Volk mit musikalischen Schauspielen. In den katholischen Gebieten waren die Kirchen und Klöster florierende Musikzentren, und umherziehende Musiker spielten sowohl auf dem Land als auch in den Städten zum Tanz auf. Eine zentrale Rolle kam dem städtischen Bürgertum zu: Dieses musizierte ausgiebig und sammelte zum Teil sogar Musikalien; es war im 18. Jahrhundert die treibende Kraft bei der Entstehung erster öffentlicher Konzerte.
 

Das Musikzimmer
Wer im 18. Jahrhundert etwas auf sich hielt, und es sich leisten konnte, vertrieb sich die Zeit mit Musizieren. Besonders Angehörige des gehobenen Bürgertums (Kaufleute, Geistliche, Lehrer, Juristen, Ärzte) hatten oft bereits in der Kindheit eine Musikerziehung genossen. Viele besassen sogar eine kleine Musikbibliothek mit Musikalien aus den umliegenden Ländern. Als bedeutendste musizierende Privatperson Basels galt der Seidenbandfabrikant Lukas Sarasin (1730–1802). (Bild: Musikzimmer im sogenannten «Blauen Haus», dem Stadtpalais Sarasins in Basel, © Kantonale Denkmalpflege Basel-Stadt, Foto Erik Schmidt)

Der Konzertsaal
Um gemeinsam erbauliche, geistliche Musik zu singen, gründeten musizierende Stadtbürger in vielen Städten der Deutschschweiz sogenannte Collegia Musica (Musikgesellschaften). Im Rahmen dieser ‘Musikgesellschaften’ wurden das weltliche Musikrepertoire und die Instrumentalmusik immer bedeutsamer, und professionelle Musiker verstärkten die Musikdilettanten zusehends. Ab den 1720er-Jahren begann man öffentliche Konzerte zu geben. Mit diesen war eine städtische Attraktion geboren, für die bald Eintritt bezahlt werden musste. Nach 1800 häuften sich die öffentlichen Auftritte, es wurden als Verein organisierte Musikgesellschaften mit breiterer Mitgliedschaft gegründet. Aus diesen entwickelten sich wiederum später die modernen Konzert- und Orchestergesellschaften mit professionellen Musiker*innen. 
In Zürich veranstaltete die 1812 aus den alten Musikkollegien gegründete Allgemeine Musik-Gesellschaft Abonnementskonzerte. Orchester und Konzerttätigkeit gingen allmählich auf die 1868 gegründete Tonhalle-Gesellschaft Zürich über. Die historische Notenbibliothek gehört nach wie vor der Gesellschaft und wird in der Musikabteilung der Zentralbibliothek Zürich aufbewahrt.

Bildnis des Lukas Sarasin

Eine grosse Leidenschaft des Basler Seidenbandfabrikanten Lukas Sarasin (1730–1802) war die Musik. Im rechten Flügel seines Blauen Hauses liess er einen weitläufigen Musiksaal mitsamt Orgel einrichten, in dem sämtliche von einem grossen Orchester ...

Kleines Orchester

Der Geistliche in der Mitte schlägt mit einem aufgerollten Notenheft den Takt. Rechts am Cello spielt der Basler Professor Jakob Christoph Ramspeck (1722–1797). Links an der Oboe soll Lukas Sarasin dargestellt sein – daher die Vermutung, die Gruppe ...

Notenkatalog

Der Katalog der Sarasin’schen Musikbibliothek ist mit kurzen Musikbeispielen versehen. Die über tausend sogenannten Incipits geben uns genaue Auskunft über die Stücke, die in Sarasins Musikzimmer zur Aufführung kamen.
Viele Musikstücke tragen den ...

Symphonie périodique

Die «Symphonie-Zeitschriften» waren eine Marketing-Erfindung der Pariser Musikverlage. Die Abonnent*innen erhielten regelmässig per Post eine neue Symphonie zugeschickt. Da auch einige eidgenössische Musikliebhaber*innen sich in Paris abonniert ...

Stimmheft

Im 18. Jahrhundert wurden äusserst selten Partituren gedruckt; meistens handelte es sich um Stimmhefte, die lediglich eine einzelne Stimme enthielten. Musikdrucke waren nur für wohlhabende Amateure erschwinglich.
Für Mitglieder eines Musikvereins war ...

Arcangelo Corelli

Die Kompositionen des in Rom tätigen Arcangelo Corelli (1653–1713) wurden zu Klassikern der Instrumentalmusik, allen voran sein Opus 5. Die 1700 erstmals in Rom gedruckten Sonaten gelangten vor 1707 nach Genf und waren wenig später ebenso in Zürich ...

Mannheimer Schule

Johann Stamitz gilt als Vertreter der Mannheimer Schule, seine Trios und Symphonien gelten wie die Kompositionen des Mailänder Komponisten Giovanni Battista Sammartini als Vorläufer der Klassik. Lukas Sarasins Hausmusiker Jacob Christoph Kachel war ...

Trio

Obwohl seine Musik teilweise die Wiener Klassik vorwegnimmt, schrieb der Mailänder Komponist Giovanni Battista Sammartini Triosonaten in der barocken Tradition für zwei Violinen und Bass. Die drei Stimmhefte stammen aus einer Mailänder Kopistenwerkst ...

Jacob Christoph Kachel

Jacob Christoph Kachel (1728–1795) wurde in Grenzach bei Basel geboren. Mit 15 Jahren nahm ihn Prinz Wilhelm von Baden-Durlach auf eine musikalische Reise mit, die bis nach Neapel führte. Kachel war Violinist und Dirigent des Basler Collegium musicum ...

Kopistenwerkstatt

In Italien wurden im 18. Jahrhundert kaum Noten gedruckt. Hochspezialisierte Schreiber verfertigten von Hand die Stimmhefte, aus denen die Einzelstimmen gespielt werden konnten, während die Partituren mit allen Stimmen im Überblick bei den ...

Opernarien

Opernaufführungen waren in der reformierten Schweiz aus sittlichen Gründen bis zur Zeit der Französischen Revolution verboten. Es wurden jedoch im Musikalienhandel unzählige Opernarien verkauft, sodass auch hiesige Musikliebhaber*innen die Perlen des ...

Frauen und Musik in der Alten Eidgenossenschaft – Frauen und die Collegia musica

Im 18. Jahrhundert hatten Frauen in der Musik nicht die gleichen Entfaltungsmöglichkeiten wie Männer. Im Vergleich zu ihren männlichen Berufskollegen waren Frauen, die sich mit Musik (zumindest teilweise) den Lebensunterhalt verdienten, in einer ...

Sonata notturna

Johann Christian Bach (1735–1782), der jüngste Sohn Johann Sebastian Bachs (1685–1750), verliess Berlin 1755 in Richtung Italien und hielt sich anfangs nur zeitweise, später aber dauerhaft in Mailand auf. Hier stand er bis zur Mitte des Jahres 1762 ...

Unisono

Der aus Oberbayern stammende Anton Fils (1733–1760) wurde 1754 Mitglied der Mannheimer Hofkapelle (Mannheimer Schule). Obschon Fils selbst Cellist war, fällt bereits im ersten Satz des Trios in D-Dur seine Vorliebe für liebreizende Melodien auf.
In ...

Reisende Musiker (1)

In den Musikstil der zweiten Generation der Mannheimer Schule führt uns die G-Dur-Sonate von Carl Philipp Stamitz (1745–1801). Der Sohn Johann Stamitz’ verliess die kurpfälzische Hofkapelle im Jahre 1770. Ob die dreisätzige Triosonate auf seinen ...

Reisende Musiker (2)

Der sehr wahrscheinlich in Mailand geborene Violinist Giacomo Conti (1754–1805) trat 1786 in Zürich auf. Bereits 1790 treffen wir Conti am russischen Hof in St. Petersburg an, und spätestens ab 1793 wirkte er in Wien, wo er das Orchester der ...

Reisende Musiker (3)

Der in Turin geborene Gaetano Pugnani (1731–1798) hielt sich wiederholt in der Eidgenossenschaft auf. Bei Pugnanis Triosonate in Es-Dur handelt es sich um die fünfte Sonate aus seinem ab den 1760er-Jahren in Paris, London und Amsterdam erschienenen ...

Flöte oder Violine

Sieben der vierundzwanzig Triosonaten von Sammartini, die in einer Sammelhandschrift in der Zentralbibliothek Zürich aufbewahrt werden, sind auch in der Basler Sammlung Sarasin vorhanden, darunter das Werk Nr. 62 im Notenkatalog. Die ...

Unsichere Autorschaft

Insbesondere Opernkomponisten wurden schon im 18. Jahrhundert als Stars gefeiert – wie etwa Niccolò Jommelli. Die Ouvertüre seiner Oper Ipermestra, die 1751 in Spoleto (Umbrien) uraufgeführt wurde, befindet sich in der Sammlung der Allgemeinen ...

Diese Seite wurde für eine Ausstellungsserie in Basel, Zürich, Luzern und Bern 2024 gestaltet und ist Teil des vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Projekts Lukas Sarasin und das Phänomen des ‹collegium musicum› um 1800 an der Hochschule der Künste Bern und an der Université de Genève in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek Basel.
Nähere Informationen zu den Ausstellungen:
Historisches Museum Basel (12. März bis 29. September 2024)
Zentralbibliothek Zürich (2. Oktober bis 31. Dezember 2024)