Das 19. Jahrhundert hat die heute noch nachwirkenden grossen systematischen Entwürfe der Musiktheorie hervorgebracht und war gleichzeitig durch tiefgreifende Umwälzungen in der kompositorischen und interpretatorischen Praxis bestimmt. Für die Erschliessung durch eine «historisch informierte Musiktheorie», wie sie durch die Jahreskongresse der Gesellschaft für Musiktheorie GMTH seit der Jahrtausendwende wesentlich mitgeprägt wurde, stellt es noch weitgehend Neuland dar.
Der Jahreskongress 2011 – nach Basel 2003 zum zweiten Mal in der Schweiz zu Gast – möchte sich dieser Aufgabe stellen und schliesst damit thematisch eng an die Forschungsschwerpunkte der Berner Gastgeberinstitutionen an. Der Call for Papers resultierte in einer Vielzahl von Beiträgen zum Fortleben des barocken Prinzips des Generalbasses in der Kompositionslehre; daneben werden auch Aspekte der Entwicklung von Unterrichtskonzepten zwischen Privatunterricht und Institutionalisierung verfolgt und ganz grundsätzlich die im 19. Jahrhundert zu beobachtende Tendenz zur Bildung von systematischen Erklärungsansätzen für musikalische Phänomene beleuchtet.
Die beiden Konzerte des Rahmenprogramms überschreiten die zeitlichen Grenzen des 19. Jahrhunderts und präsentieren einerseits selten gespielte Kompositionen von Theoretikern des 18. Jahrhunderts in historisch informierter Aufführungspraxis, andererseits Uraufführungen von neun Kompositionsstudierenden der Hochschule der Künste Bern, die nach einem didaktischen Modell des 19. Jahrhunderts ein «klassisches» Werk «rekomponiert» haben.
Programmübersicht
Freitag, 2. Dezember 2011
Dampfzentrale Bern · Marzilistrasse 47 · CH-3005 Bern
10 Uhr · Eröffnung
10.30–13 Uhr · Keynotes · Thomas Christensen (Chicago): «Monumentale Texte, verborgene Theorie» · Christoph Hust (Leipzig): «Musiktheorie als kulturelle Praxis» · Markus Böggemann (Kassel): «Komponieren lernen – Wissensformen und Verbreitungsstrategien im 19. Jh.»
13 Uhr · Mittagessen im Restaurant Dampfzentrale
14.30 Uhr · Buchpräsentationen (Christhard Zimpel, Andreas Kissenbeck, Ulrich Kaiser)
16.15 Uhr · Preisverleihung des 2. Aufsatz-Wettbewerbes der GMTH
16.30 Uhr · Podiumsdiskussion · «Doktoratsstudien für MHS-Absolvent/inn/en»
Leitung: Marie Caffari (Biel/Bern), Teilnehmer: Ulf Bästlein (Graz), Peter Dejans (Gent), Anselm Gerhard (Bern), Ludwig Holtmeier (Freiburg/Brsg.), Oliver Korte (Lübeck)
18 Uhr · Apéro – 19.45 Uhr · Konzerteinführung
20 Uhr · Kammerkonzert · Rekompositionen der Lyrischen Suite von A. Berg durch Kompositionsstudierende der HKB (Jazz und Klassik)
Samstag, 3. Dezember 2011
Hochschule der Künste Bern · Fellerstrasse 11 · CH-3027 Bern
8.30–12/13.30–16 Uhr · Vorträge (s. Gesamtprogramm)
12 Uhr · Essen der GMTH-Hochschulvertreter/Mittagessen im kaFe der HKB
Musikschule Konservatorium Bern · Kramgasse 36 · CH-3011 Bern
17 Uhr · Orchesterkonzert · Werke von J. Riepel, H. Chr. Koch und J. Haydn · Barockorchester Concerto Stella Matutina · Leitung: Kai Köpp
19 Uhr · GMTH-Mitgliederversammlung
Sonntag, 4. Dezember 2011
Hochschule der Künste Bern · Fellerstrasse 11 · CH-3027 Bern
9–12.30 Uhr · Vorträge (s. Gesamtprogramm)
12.30 Uhr · Schlussplenum
Gesamtprogramm mit Abstracts und Konzerten (pdf)
Zur Webseite der GMTH
Die Onlinezeitschrift Codex flores bedachte den Kongress mit einem ausführlichen Bericht. Ebenso erschein ein Bericht in der Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie.
Ein Grossteil der Vorträge ist in schriftlicher Form im Sammelband Musiktheorie im 19. Jahrhundert veröffentlicht.
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