Der Solothurner Komponist Hermann Meier (1906–2002) nahm in der Schweiz in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts eine Aussenseiterposition ein. In einem Umfeld, in dem Aufführungen von atonaler und zwölftöniger Musik auf eine starke Abwehrhaltung stiessen, scheiterten Meiers vereinzelte Versuche, seine Kompositionen öffentlich aufzuführen. Meiers Werk entstand deshalb in grösster Isolation und ohne Beachtung durch die Öffentlichkeit. Wohl auch wegen dieser Isolation weisen seine Werke schon früh eine Eigenständigkeit auf, deren Erforschung für die Musikgeschichte nach 1945 neue Aspekte eröffnet, insbesondere zum Verhältnis von Bild und Klang. Neben seiner eigenständigen kompositorischen Denkweise zeichnet sich Meier ab Mitte der 1950er-Jahre durch die Arbeit mit grossformatigen grafischen Kompositionsplänen aus, die er selbst «Mondriane» nannte. Diese «Mondriane» radikalisieren Meiers Komponieren und führen ab 1960 zu teils monumentalen Kompositionen mit Klangschichtungen und Klangmassen und zur Arbeit im elektronischen Studio. Mit dem Auge – so scheint es – hat Hermann Meier musikalische Triebkräfte zu Klang gebracht, die in dieser Zeit ihresgleichen suchen.
Das Forschungsprojekt geht der Frage nach, welche Rolle die «Mondriane» bei der Entwicklung zu Hermann Meiers kompositorisch radikalen Positionen spielten. Die Dissertation «Komponieren in Punkten, Strichen und Flächen» analysiert schwerpunktmässig die Kompositionen für Tasteninstrumente und versucht, die grafischen Pläne aus dem Nachlass in der Paul Sacher Stiftung in traditioneller Notenschrift verfassten Werken zuzuordnen. Zudem werden in Zusammenarbeit mit dem Studienbereich Musik und Medienkunst der Hochschule der Künste Bern ausgewählte Pläne im Studio und im Konzertsaal realisiert. Ziel ist eine erste relativ breit angelegte Darstellung des Werks und des ästhetischen Denkens Meiers, die die Geschichtsschreibung zur Schweizer Musik im 20. Jahrhundert um eine wichtige, bisher weitgehend vernachlässigte Position ergänzt.
Bild: Plan Nr. 238 «Moderato» aus dem Nachlass Hermann Meier, 15.08.1960, Masse: 29.7 x 39.7 cm
(Bild: Paul Sacher Stiftung, Basel).
Tagungsbericht «Das Auge komponiert»
Auf der Website der Schweizer Musikzeitung erschien mittlerweile ein Tagungsbericht zum Symposium «Das Auge komponiert» von Azra Ramić.
«Das vielfältige Programm der Vorträge sorgte für zwei abwechslungsreiche, aber kompakte Tage. Im Fokus, natürlich, Hermann Meier, seine Werke, Kompositionstechnik und verschiedene Einblicke in Formen grafischer Notation.»
Der ganze Text ist hier nachzulesen.