Biblische Psalmen, Li Bai, Shakespeare, James Joyce und Kritzeleien von Tagelöhnern: Die frühesten erhaltenen Werke des Mikroton-Pioniers Harry Partch (1901–1974) aus den 1930er- und frühen 1940er-Jahren bieten eine ungewöhnliche Mischung aus Literaturvertonungen und einer Auseinandersetzung mit seiner eigenen Erfahrung als Wanderarbeiter während der Grossen Depression. Für ihre Aufführung braucht es von Partch selbst gebaute und adaptierte Instrumente, die die Realisierung seines 43-tönigen Intonationssystems erlauben, und Sänger*innen, die sich auf seinen ganz persönlichen Sprechgesangsstil einlassen.
Dieses Konzert bietet die seltene Gelegenheit, zwei verschiedene Interpretationsansätze zu Partchs Werk direkt miteinander vergleichen zu können: Charles Corey steht in der Tradition der Partch-Schüler und war Kurator von Partchs in Seattle aufbewahrten originalen Instrumenten; das in Amsterdam beheimatete Scordatura Ensemble blickt auf eine jahrzehntelange Auseinandersetzung mit Stimmungen und Mikrotönen in alter und neuer Musik zurück und integriert darin auch das Werk von Harry Partch. Es treffen also eine amerikanische und eine europäische Interpretationstradition aufeinander.
Eingebettet ist das Konzert in ein dreitägiges Symposium des Instituts Interpretation der HKB, das auf ein von Roman Brotbeck geleitetes SNF-Forschungsprojekt zurückgeht: Wer mehr wissen will (und das nicht nur zu Partch, sondern auch zu weiteren Highlights aus der Geschichte der nicht-äquidistanten mikrotonalen Musik des 20. Jahrhunderts), kann dort Vorträge von internationalen Spezialist*innen ebenso wie von HKB-Forschenden erleben, die im Rahmen dieses Projekts ihre Dissertationen erarbeitet haben.
Charles Corey and Scordatura Ensemble
(Bilder zVg)
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