Projekt

Hochleistungsteams in Musik und Wirtschaft

Wie gelangen aus Spezialisten zusammengesetzte Teams zu Höchstleistungen?
Ziel des Forschungsprojekts ist es, die formellen und informellen Funktionsweisen von Hochleistungsteams in Musik und Wirtschaft zu beschreiben, zu verstehen, zu vergleichen und dann mögliche gewinnbringende Transferprozesse zwischen den beiden Bereichen vorzuschlagen. Der Fokus liegt dabei auf der Musik; Erkenntnisse aus der Wirtschaft liefern die Kontrastfolie. Neu am Ansatz des vorliegenden Projekts ist, dass er vom Team-internen Funktionieren bei Probenarbeit und Aufführungen der Ensembles ausgeht und dabei auch verschiedene Binnen-Hierarchien und Interaktionen innerhalb der Teams berücksichtigt. Die Teamanalyse rückt informelle Prozesse in den Fokus, ist jedoch gestützt auf die Untersuchung der formalen Organisationsstruktur, die eine konstitutive Grundlage der Teamprozesse bildet.

Forschungsplakat

Bild: Arturo Toscanini gilt als Inbegriff des autoritären Dirigenten (Bild: Fotograf unbekannt)

Rollendynamik

Durch Interviews und Beobachtung widmete sich das Projekt den Teamprozessen im Orchester, die wiederum auf die Wirtschaft zurückgespiegelt werden können. Neben dem gemeinsamen Flow und Achtsamkeit gehört insbesondere das Ausfüllen von sich ständig verändernden Rollen zu den zentralen Punkten für funktionierende Hochleistung.

Rollendynamik als Leistungstreiber
Proben und Aufführungen erfordern grosse Flexibilität, bei der sich die Rollendynamik im Sekundentakt verändert. Neben den Partiturvorgaben mit teils taktweise wechselnden Rollen und Funktionen gibt es auch eine situative Mikrodynamik. Hier geht es darum, zuzuhören, was passiert, und dies geistig und dann musikalisch zu verarbeiten. In einem Interview erläutert dies ein Bratscher: «Es ist so, dass die Bratschenstimme in Abwechslung entweder mit den Geigenstimmen […] verbunden ist, indem man die gleiche Melodie spielt, oder man hat plötzlich eher Verantwortung bei der Harmonik zur Unterstützung oder mit dem Continuo, dann eher die Basslinie mitzuspielen oder ein rhythmisches Leitmotiv zu unterstützen. Man nimmt die Hand von rechts und links und verbindet alle.»
Verantwortung, Flexibilität und Motivation werden geschärft, wenn alle Teammitglieder Anteil am Kreativitätsprozess haben, alle einander sehen und hören und das eigene Verhalten auf das ausgerichtet ist, was andere tun. Statt fixen Festschreibungen, wer der Chef ist, wird oft lokal und situativ entschieden. Selbst Leader finden sich wieder in einer Unterstützungsrolle. Verantwortung wird aufgeteilt und damit Team- wie Selbstwertgefühl gesteigert. Diese Flexibilität zeigt sich ausgeprägt in der ambivalenten Rolle der Stellvertretung.

Stellvertreter als heimliche Angelpunkte eines Teams
In mehreren von uns beobachteten Proben nimmt die zweite Konzertmeisterin eine aussergewöhnlich bestimmende Rolle ein. Im Interview zeigt sie sich als sehr bewusst gegenüber ihrer ambivalenten Stellung: «Als zweite Konzertmeisterin hat man natürlich oft auch führende Funktionen. Es ist ein wirklich sehr heikler Job, weil man zeitweise führen soll und zeitweise eben nicht. […] Man muss führen können und sehr sicher sein können. Und man muss sich auch zurückhalten können. Das ist das Schwierige». Ähnlich beschreibt auch eine stellvertretenden Solocellistin ihre Rolle als Mischung aus Dienen und Führen «Vielleicht ist der eine [Solo-Cellist] sehr stark, dann nimmt man sich eher zurück, vielleicht ist der andere etwas unsicherer, dann versucht man aktiver zu sein.» Die Stellvertreterrolle zeigt exemplarisch auf, dass es Mitgliedern von Hochleistungsteams gelingen muss, auf der Basis persönlicher Exzellenz achtsam und aufmerksam im Kontext der aktuellen Situation adaptiv flexibel zu handeln. Zentral ist ein reflektiertes Rollenverständnis jenseits von Statik und Hierarchie. Damit sich Teammitglieder auch in Unternehmen in dieser achtsamen und flexiblen Art einbringen können, sind Strukturen und Bewertungssysteme nötig, die nicht die Profilierung Einzelner, sondern das gelingende Teamergebnis ins Zentrum stellen. Strukturen wie z.B. ein Vergütungssystem, das Einzelleistungen honoriert, widersprechen achtsamem Dienst am gemeinsamen Werk.

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