Projekt

Die Urfassung des «Fliegenden Holländers» Historisch informierte Orchester- und Probenpraxis bei Richard Wagner

Ziel des Projektes ist es, Richard Wagners Musikdramen am Beispiel des «Fliegenden Holländers» für die historisch informierte Interpretationspraxis zu erschliessen. Die Ausgangslage ist günstig, denn vor einiger Zeit wurden das Orchestermaterial der Dresdner Uraufführung von 1843 sowie Wagners eigene Metronomangaben auf einem Klavierauszug der Urfassung entdeckt – Dokumente, die noch nie musikpraktisch untersucht worden sind.
Die Art dieser Quellen eröffnet eine neuartige Perspektive aufführungspraktischer Forschung: Während bisher die historische Uraufführung im Zentrum der Forschungsbemühungen stand, soll in diesem Projekt erstmals die Probenpraxis rekonstruiert werden, die einer (Ur-)Aufführung vorausging. Um die Auswirkung von Wagners überraschend schnellen Metronomangaben auf Artikulation, Phrasierung und Deklamation empirisch zu untersuchen, werden die in der Opernpraxis üblichen Klavierproben nachgestellt. Das historische Orchestermaterial wird in Form der sogenannten «Streichquartettproben» untersucht – eine Erweiterung der Klavierproben um vier Streicher (in der damaligen Opernpraxis die Stimmführer des Orchesters). Eine Rekonstruktion dieser Proben ermöglicht es, die Bedeutung aufführungspraktischer Eintragungen in das originale Notenmaterial für die Orchester- und Dirigierpraxis zu verstehen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Wagner im Dresdner Opernhaus – wie die meisten Kapellmeister bis Ende des 19. Jahrhunderts – mit dem Rücken zum Orchester an der Bühnenrampe sass, sollen konkrete Ergebnisse zur Uraufführungs-Interpretation des «Fliegenden Holländers» unter Wagners Leitung gewonnen werden.
Die Aufführungsgeschichte, die den überraschenden Wandel der Interpretationsstile seit dem Tod Wagners sichtbar machen würde, kann in diesem Rahmen ebenso wenig berücksichtigt werden wie die textgebundene Bühnenpraxis, obwohl letztere ein wesentliches Merkmal des Wagnerschen Gesamtkunstwerks darstellt und in weiterführende Studien einbezogen werden soll.

Forschungsplakat

Tagungsbericht

In der Schweizerischen Musikzeitung erschien ein Tagungsbericht zum Holländer-Symposium.
Auch die Zeitschrift Dissonance berichtete in ihrer Ausgabe 125 (März 2014) über die Tagung, zudem widmete die Berner Zeitung dem Fliegenden Holländer eine Seite.

Zudem finden sich unter dem Flickr-Link einige Impressionen der Veranstaltung.

Das Symposium zu Wagners Oper «Der fliegende Holländer» erschloss Wagners Musik für aufführungsgeschichtliche Fragestellungen und Methoden. Während sich Graziella Contratto dem Entmythisierungstrend in aktuellen Inszenierungen widmete, beschäftigten sich die Mehrzahl der übrigen Referenten mit den historischen Gegebenheiten zur Zeit der Entstehung von Wagners Oper. Zur Sprache kamen etwa die Orientierung Wagners am «Balladenton» (Leo Dick), die auf die damaligen Sänger bezogene Vokalkonzeption der Oper (Thomas Seedorf), die Streichinstrumente der Dresdner Hofkapelle (Bernhard Hentrich), Wagners (Selbst-)Verständnis des Dirigenten (Tobias Pfleger) und historische, nicht zuletzt vom Tanz beeinflusste Darstellungspraxis (Martin Knust, Stephanie Schroedter).
Eine zentrale Stellung nahm die Präsentation der Uraufführungsstimmen von 1842/43 ein (Kai Köpp und Johannes Gebauer). Sie lassen erkennen, wie sich das musikalische Werk in den Proben, in denen der Komponist seine Partitur auf eine konkrete Aufführung hin bearbeitet, in vielen aufführungspraktischen Details konkretisiert, so dass auch der überkommene Werkbegriff bei Opern in Frage gestellt wird.
Weiter gaben Manuel Bärtsch und Christian Hilz Einblick in zeitgenössische Gesangspraxis und in die ungewöhnlich detaillierte und kleinteilige Metronomisierung Wagners im Klavierauszug von 1844. Diese weist deutliche Unterschiede zur Aufführungstradition auf und beruht möglicherweise auf nachträglichen Messungen. Das würde bedeuten, dass sie nicht nur eine Autorintention darstellen, sondern die historische Interpretationspraxis abbilden.
Schliesslich stellte sich im Anschluss an die von Peter Tilling geschilderten Erfahrungen einer historisch orientierten Wagner-Aufführung in einer Roundtable die Frage, ob Wagner reif für die historische Aufführungspraxis sei.

Programm (inkl. Abstracts)

 

Einträge