Fryderyk Chopins Ausbildung vollzieht sich in Gegensätzen: In Warschau ist sie noch ganz der Tradition des 17./18. Jahrhunderts verpflichtet und umfasst auch Generalbassspiel und Improvisation; ab 1829 in Paris hingegen begegnet er den damals innovativsten und teilweise spekulativen harmonischen Theorien. Das Forschungsprojekt «Die Schule der Romantik» geht den Spuren dieser Einflüsse in Chopins Werk nach und eröffnet in der Anwendung zeitgenössischer musiktheoretischer Ansätze neue Wege für dessen Interpretation. Die Quellen aus Chopins Ausbildungszeit zeigen, dass zentrale musikanalytische Kategorien wie Tonart, Akkord, Kontrapunkt oder Form in seinem geistig-musikalischen Umfeld noch fundamental anders verstanden wurden als heute, wo an Musikhochschulen und Universitäten überwiegend aus dem späten 19. Jahrhundert stammende und im Laufe des 20. Jahrhunderts zum Standard erhobene analytische Beschreibungssysteme in Gebrauch sind. In einer gegenwärtig im Entstehen begriffenen «historisch informierten Musiktheorie» stellt die Beschäftigung mit dem 19. Jahrhundert noch weitgehend Neuland dar. Grundlegende Schritte wurden insbesondere im Hinblick auf den XI. Jahreskongress der Gesellschaft für Musiktheorie (GMTH) im Dezember 2011, den die HKB in Bern beherbergte, unternommen.
Die Zusammenarbeit von Musiktheoretikern und Musikwissenschaftlern mit Pianisten stellt dabei innovative analytische Ansätze zur Verfügung, die sich für den Unterricht an Hochschulen und insbesondere für die Verknüpfung von Musiktheorie und interpretatorischer Praxis nutzbar machen lassen.
Anlässlich von Chopins 200. Geburtstag im März 2010 wurde ein von den Musikhochschulen Basel, Bern und Zürich veranstaltetes Festival zur Aufführung seines gesamten Klavierwerkes zum Anlass genommen, erste Ergebnisse des Forschungsprojektes in Form eines Symposiums der Öffentlichkeit vorzustellen.
Gehörbildung
An der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien findet am 13. und 14. Februar 2015 ein Symposium zum Thema Gehörbildung statt. Ausgehend von den Erkenntnissen des Projekts Schule der Romantik werden Martin Skamletz und Stefan Zirwes dabei Vorträge halten. Nähere Informationen finden sich auf dem zugehörigen Flyer oder direkt auf der Website der Veranstalter.