Harry Partch vertonte 1930–1933 Texte des chinesischen Dichters Li Po bzw. Li Bai (701–762) für Adapted Viola und Stimme. Seine Seventeen Lyrics by Li Po nähern sich dem Klang der Sprache an und verwenden ein mikrointervallisches Tonsystem. Passend zu Partchs selten aufgeführtem Frühwerk werden neu Gedichte des rätoromanischen Dichters Chasper Po (1856–1936) auf Grundlage von Deklamationsaufnahmen vertont. Beide Musikwerke zusammen, die «Liricas da Li e Chasper Po», erklingen, von David Eggert interpretiert und von Hsuan Huang in Szene gesetzt, im Rahmen einer internationalen Tournee (2020/21).
Zu den aktuellen Aufführungen von Liricas da Li e Chasper Po.
Li Bai und Chasper Po hatten ähnliche Charakterzüge und ihre Dichtung trägt ähnliche Themen. Bereits Peider Lansel verglich die beiden Aussenseiter und übertrug zudem – wie vor ihm im 19. Jahrhundert schon Gian Fadri Caderas – Gedichte von Li Bai ins Rätoromanische. Diese erstaunlichen sino-ladinischen Verbindungen, ferner auch das Frühwerk von Partch und das Phänomen der westlichen Li-Bai-Vertonungen, von denen es hunderte gibt, werden erstmals umfassend erforscht und an einer interdisziplinären Tagung mit Teilnahme von Vertreterinnen und Vertretern der Musikologie, Rätoromanistik und Sinologie vorgestellt und diskutiert. Diese Konferenz sollte vom 26. bis 28. März 2020 an der Hochschule der Künste Bern stattfinden, musste aber wegen Covid-19 abgesagt werden. In verschriftlichter Form erscheinen die geplanten Vorträge allerdings im Winter 20/21 beim Verlag Königshausen & Neumann.
Bild: In der Mitte Li Bai, nach der Enzyklopädie «San Cai Tu Hui» von Siyi und Qi Wang, 1609; links Harry Partch 1949 in Ithaca, USA; rechts Chasper Po 1930 in Collalto, Italien.
Der doppelte Po
Mikrotonkomponist Harry Partch, aber darüber hinaus viele weitere Komponisten haben den chinesischen Dichter Li Bai (Li Po, 701–762) vertont. Ein neuer, Open Access zugänglicher Sammelband öffnet den Blick darüber hinaus auf einen zweiten Po, den ...