Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als das noch junge Fortepiano im europäischen Musikleben zum wichtigsten und beliebtesten Instrument aufsteigt und die ersten Konservatorien moderner Prägung gegründet werden, erfährt der Klavierunterricht verschiedene Neuerungen, welche bisher nur ungenügend erfasst worden sind.
Dieses Forschungsprojekt geht den Spuren jenes Wandels in historischen Dokumenten nach, um auf dieser Grundlage den damaligen Klavierunterricht praktisch nachzuvollziehen und die daraus resultierenden Erkenntnisse für die heutige historisch informierte Aufführungspraxis fruchtbar zu machen.
So begann sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die curricular organisierte Ausbildung der Berufsmusiker (die immer mehr nur noch als virtuose Interpreten verstanden wurden) an den Konservatorien gegenüber dem traditionellen privaten Unterricht durchzusetzen, der eine umfassendere musikalische Ausbildung im Blick gehabt hatte.
Auf der Grundlage von Dokumenten aus den Archiven des Conservatoire Royal de Bruxelles und anderer vergleichbarer Einrichtungen werden die gespielten Repertoires, ihr Gewicht in der Ausbildung sowie die Verwendung der Klaviermethoden und ihrer Übungen und Beispiele untersucht.
In diese Untersuchungen fügt sich auch eine Analyse der Vortragsanleitungen in den verschiedenen Editionen von Beethovens Klaviersonaten ein, die sein Schüler Ignaz Moscheles veröffentlicht hat. Diese spiegeln den «öffentlichen» Wandel der Beethovenschen Interpretation im Kontext der erwähnten Entwicklungen.
Die historische Unterrichtssituation kann letztlich auch anhand einer Analyse der Struktur und der Sprache aus dem Blickwinkel der modernen Arbeits-/Handlungsanalyse der wichtigsten Klaviermethoden jener Zeit nachvollzogen werden.
Publikation
Ergebnisse aus dem Projekt sind in einen Buchbeitrag von Suzanne Perrin-Goy eingeflossen:
Si habituellement les énoncés dispositionnalisants sont énoncés a posteriori pour rendre compte de propensions à faire quelque chose, les prescriptions peuvent être comprises comme des énoncés dispositionnalisants a priori qui présupposent et suscitent une propension à faire quelque-chose. Un intérêt consiste alors à analyser le degré de généralité de ces énoncés dispositionnalisants et la structure de ceux-ci. A cet égard, le corpus des méthodes historiques est particulièrement intéressant.
Die vollständigen bibliographischen Angaben lauten wie folgt:
Suzanne Perrin-Goy: Les énoncés dispositionnalisants dans la prescription. Le cas des méthodes de pianoforte entre 1800 et 1850, in: Dispositions à agir, travail et formation, hrsg. von Alain Muller/Itziar Plazaola Giger, Toulouse 2014, S. 161–187.