Projekt

Verkörperte Traditionen romantischer Musikpraxis Instruktive Texte, Ton- und Filmdokumente im Interpretationsexperiment

Wurde die Musik der Romantik im 19. Jahrhundert genauso aufgeführt, wie wir sie heute hören und kennen?

In einer Zeit, als es keine Tonaufnahmen gab, konnte die Interpretation einer Komposition nur in schriftlicher Form festgehalten werden. Der Notentext nämlich lässt eine Vielzahl von möglichen Klangübersetzungen zu, die im Detail deutlich voneinander abweichen können. Diese Abweichungen sind charakteristisch für das Selbstverständnis der interpretierenden Musiker, in ihnen erkennt man die Haltung der Musiker zur Tradition, ihrer musikalischer Umgebung und den geistigen Strömungen ihrer Zeit, ähnlich wie sie auch in heutigen Tonaufnahmen aufscheinen.
Diese Feinheiten der Interpretation sind im 19. Jahrhundert zu instruktiven Zwecken aufgeschrieben worden und bilden so einen wertvollen Ersatz für fehlende Tondokumente. Solche Instruktionen, die sich vor allem an professionelle Musiker richten, stehen im Zentrum des Forschungsprojektes, denn wegen ihres engen Bezugs zu musikpraktischen Details sind sie bisher kaum erforscht worden. Das Besondere an diesen Instruktionen, die in der Regel von namhaften Interpretinnen und Interpreten verfasst wurden, besteht einerseits in der besonderen Auswahl der kommentierten und unterschlagenen Details und andererseits in den jargonartigen Fachbegriffen, die einen Einblick in das musikalische Denken der Interpreten und ihrer Schultraditionen erlauben.
Die Auswertung dieser einzigartigen Informationen darüber, wie im 19. Jahrhundert ein Musikstück aufgeführt werden konnte, verlangt nach einer besonderen Methode, die den wissenschaftlichen Rahmen für das Übersetzen der Instruktionen am jeweiligen Instrument bietet. Für das körperliche Verstehen einer historischen Information verwenden wir den Begriff des «Embodiment». Darunter verstehen wir eine neuartige Methode zur Generierung von Wissen, die zwar musikhandwerkliche Elemente enthält, aber nicht mir künstlerischen Mitteln arbeitet. Erst dieses Wissen soll eine künstlerische, dabei zugleich historisch informierte Interpretationspraxis romantischer Musikstücke befördern.

Vgl. auch das Vorläuferprojekt im Rahmen der SNF-Förderprofessur «Angewandte Interpretationsforschung»

Bild: «Embodiment» durch das Camesina-Quartett – das Nacherleben von historischen Interpretationen führt zu neuen Einsichten in die Interpretationspraxis. (HKB)

Hausmusik (wie) bei Paul Klee

Am 17. und 18. Dezember spielen Johannes Gebauer, Camilla Köhnken und Kai Köpp in Weimer «Hausmusik (wie) bei Paul Klee». Noten aus dem Nachlass des weltbekannten Malers und Bauhauslehrers – und eben auch begeisterten Geigers – werden von den drei MusikerInnen in Klees Weimarer Wohnung wieder zu Gehör gebracht. Diese Veranstaltung zum 140. Geburtstag von Paul Klee bildet den Abschluss der diesjährigen Bach-Biennale Weimar.