Die historisch informierte Aufführungspraxis von älterer Musik benötigt als wesentliches Element «period instruments» – d.h. Originale der entsprechenden Zeit oder Nachbauten davon – für Konzertbetrieb, Lehre und Forschung. Der Gebrauch historischer Instrumente aus Metall steckt dabei in einem Dilemma: Ein Instrument, das gespielt wird, erleidet Schäden durch Abnutzung und Korrosion, wenn es hingegen stillgelegt und im Museum verwahrt wird, verliert es seine Stimme, wird auf sein Objekt-Sein reduziert.
Für dieses Dilemma versucht das Projekt, Lösungsansätze zu finden. Dabei werden Korrosionsphänomene im Inneren der Messinginstrumente erstmals erforscht und gemessen. Danach experimentiert eine Langzeitstudie mit Möglichkeiten schonender Nutzung und präventiver Konservierung. Zum Abschluss wird ein Satz von 21 Blechblasinstrumenten rekonstruiert und im Konzert eingesetzt, wie er vor 100 Jahren bei der Uraufführung von Strawinskys «Sacre du Printemps» in Paris gespielt worden sein könnte.
Möglich macht dies eine multidisziplinäre Zusammenarbeit zwischen HKB (Musikwissenschaft, Instrumentenkunde), Sammlungszentrum des Schweizerischen Nationalmuseums (Konservierungsforschung), Paul Scherrer Institut Villigen (Tomographie) und Institute for Corrosion der ETH Zürich (Messmethodik).
Bild: Messing korrodiert von aussen und innen, besonders aufgrund der im Instrument verbleibenden Feuchtigkeit und der Salze im Speichel.
Sacre – Uraufführung
Aus heutiger Sicht wäre man gerne dabeigewesen an jenem Donnerstag, 29. Mai 1913 im Théâtre des Champs-Elysées in Paris. Das in jener Saison neu eröffnete Theater war im Rahmen des Gastspiels der «Ballets Russes», eines von Impresario Sergej Diaghilew geleiteten Tourneetheaters, Schauplatz der Uraufführung von Igor Strawinskys Ballettmusik «Le Sacre du Printemps». Neben drei älteren Werken, die an jenem Abend gegeben wurden, stiess besonders diese Neuproduktion nach einer Choreographie von Vaclav Nijinsky und einer Ausstattung von Nicolas Roerich auf das Interesse der Pariser Öffentlichkeit – wobei Interesse angesichts der Vorgänge womöglich einen falschen Eindruck erweckt.
Die Vorstellung gipfelte gemäss Augenzeugenberichten jedenfalls in einem waschechten Skandal – wobei es schwer ist, unter den allenfalls dramatisierten, teilweise erst Jahre später veröffentlichten Aussagen die wahren Vorgänge jenes Abends nachzuvollziehen.
Unklar ist dabei insbesondere auch, welchen Einfluss auf den Verlauf des Abends
1.) der Intendant hatte: Suchte Diaghilew den Skandal aus Publizitätsgründen, sorgte er gezielt für einen unvergesslichen Abend?
2.) die Musik bzw. die Choreographie hatte: Heute wird meist vermutet, dass es weniger die ungewohnten Klänge, denn die tänzerische Umsetzung war, die für rote Köpfe sorgte. Nijinsky distanzierte sich mit eingedrehten Beinen, grobschlächtigen Bewegungen und vielen Szenen mit zum Publikum gewendeten Rücken ganz bewusst von der Ausdrucksweise des ätherischen und eleganten Balletts ab. Dafür spricht auch, dass die Musik Strawinskys in der ersten konzertanten Aufführung ein Jahr später, am 5. April 1914, begeistert aufgenommen wurde.
Das Programmheft der Uraufführung bzw. einer Folgevorstellung kann hier eingesehen werden. Zudem ist eine Rekonstruktion der Choreographie auf Youtube verfügbar.