Thomas Gartmann und Simeon Thompson (Hg.)
unter redaktioneller Mitarbeit von Daniel Allenbach
«Als Schweizer bin ich neutral». Othmar Schoecks Oper Das Schloss Dürande und ihr Umfeld
Schliengen 2018, Edition Argus
348 Seiten mit zum Teil farbigen Abbildungen und Notenbeispielen sowie Musikbeispielen (Videos), die über die Website der HKB zugänglich sind
Format 19 x 28,5 cm
Fadenheftung, Hardcover
ISBN 978-3-931264-90-1
doi.org/10.26045/kp64-6174
Der Band ist hier seitenidentisch zur Druckausgabe als kostenloser PDF-Download zugänglich. Unten können auch die einzelnen Beiträge gesondert heruntergeladen werden.
Am 1. April 1943 fand an der Staatsoper Berlin trotz wiederholter Bombenangriffe die Uraufführung von Othmar Schoecks Oper Das Schloss Dürande nach der Novelle Joseph von Eichendorffs statt. Noch im gleichen Jahr gab es zwei Aufführungsserien in Zürich, die nach öffentlichen Protesten jeweils vorzeitig abgebrochen wurden. Seither wurde die Oper überhaupt nur noch ein einziges Mal und bloss in einer stark gekürzten konzertanten Fassung aufgeführt, nämlich 1993 durch Gerd Albrecht in Berlin. Schoecks Spiel mit den Mächtigen hat ihm zwar eine Auffuhrung an einer so prominenten Bühne ermöglicht. Aber er zahlte einen hohen Preis: Karrierebruch und angeschlagene Gesundheit waren die Folgen, von denen er sich niemals mehr erholen konnte.
Bereits von Hermann Göring als «Bockmist» bezeichent, erscheint auch aus heutiger Sicht das Libretto von Hermann Burte als Schwachpunkt der Oper. Sprachlich wirkt es ungeschickt; vor allem aber sind ihm nationalsozialistische Phrasen und «Werte» eingeschrieben. Schoecks Werk zeigt indessen so ausserordentliche musikalische Schönheiten, dass sich eine «Rettung» geradezu aufdrängt.
Ausgehend von einem SNF-Forschungsprojekt und einer damit verbundenen Tagung werden in diesem Sammelband die unheilvolle Begegnung zwischen dem deutschesten aller deutschen Dichter und den Nationalsozialisten neu bewertet. Die einzelnen Beiträge stellen kompositorische Vorkämpfer, Anpasser, Opportunisten, Mitläufer und Opponenten der kulturellen Diktatur vor, klären Kontext und Voraussetzungen der Aufführungen in Berlin wie in Zürich und diskutieren die Tragweite von Schoecks Diktum «als Schweizer bin ich neutral». Letztlich zielt der Sammelband auch auf die Frage nach der politischen Autonomie von Kunst respektive auf die Dichotomie von Schuld und Unschuld in Kunst und Kultur.
Eine Publikation zum Projekt «Das Schloss Dürande» von Othmar Schoeck.
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Vergleiche zu diesem Thema auch den Band Zurück zu Eichendorff!
Inhaltsverzeichnis
Oper in brauner Zeit – Die Situation 1943
Michael Baumgartner | Die Staatsoper Unter den Linden unter nationalsozialistischer Herrschaft. Repertoireopern, Opernpremieren und Selbstzensur
Christian Mächler | Szenen (k)einer Ehe. Das Schloss Dürande am Zürcher Opernhaus und das ‹Dritte Reich›
Erik Levi | Resisting Nazism – Hartmann, Blacher and von Einem
Roman Brotbeck | Zwischen Opportunismus, Bewunderung und Kritik. Die französischen und schweizerischen Berichte zumMozart-Fest 1941 in Wien
«Bockmist»? – Schoecks «Das Schloss Dürande»
Simeon Thompson | Hermann Burte als ‹Nazi-Dichter›. Zur Auseinandersetzung mit dem Librettisten von Das Schloss Dürande
Beat Föllmi | «Othmar Schoeck wird aufgenordet». Schoecks Flirt mit dem nationalsozialistischen Regime und die Reaktionen in der Schweiz
Thomas Gartmann im Gespräch mit Mario Venzago und Francesco Micieli | Zurück zu Eichendorff! – Eine poetische Rückdichtung
Rezeption im Wandel
Ralf Klausnitzer | «Deutschester aller deutschen Dichter»? Joseph Eichendorff in der NS-Zeit
Robert Vilain | Hofmannsthal und das ‹Dritte Reich›. Rezeption und fiktive Historie
Chris Walton | Farbe bekennen. Schweizer Künstler und der Apartheid-Staat
Chris Walton, Ralf Klausnitzer, Ulrike Thiele, Erik Levi, Mario Venzago | Verdammen, vergeben, verdrängen, verfremden? Ein Gespräch über den Umgang mit kulturellen Werken der NS-Zeit