Am Beispiel der Solo-Klavierwerke Beethovens werden repräsentative Traditionslinien und aussagekräftige Wandlungen in der Interpretationspraxis des 19. Jahrhunderts aufgezeigt: Untersucht wird, wie sich nach Beethovens Tod interpretatorische Praktiken verändert und weiterentwickelt haben und damit zu einem massgeblichen Teil noch heute unser Beethoven-Bild prägen.
Zwei eng miteinander verzahnte komplementäre Dissertationsprojekte erkunden, wie sich eine handwerklich verstandene «Ausführung» bzw. «Exécution» in dieser Zeit zu einem kreativen und subjektiven Akt eigenen Rechts, zur «Interpretation» von Musik wandelte. Während das eine Teilprojekt mit klassischen historischen Methoden insbesondere anhand der Beethoven-Editionen von Ignaz Moscheles interpretatorische Traditionen der ersten fünfzig Jahre nach Beethovens Tod rekonstruiert, schliesst das zweite Teilprojekt an frühere Forschungsprojekte der HKB zum Welte-Mignon-System an. Dieses raffinierte Aufzeichnungsverfahren für musikalische Interpretationen des frühen 20. Jahrhunderts wurde durch einen eigens entwickelten digitalen Rollenscanner analytisch neu verfügbar gemacht; die Aufnahmen sollen nun historisch und ästhetisch kontextualisiert werden, gewissermassen einen Blick zurück bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ermöglichen und unterschiedliche interpretatorische Schulen vergegenwärtigen.
In der Zusammenarbeit zwischen den beiden Teilprojekten können Interpretationsangaben in den Editionen des 19. Jahrhunderts am klingenden Tondokument gemessen und umgekehrt Klangaufzeichnungen durch textkritisches Quellenstudium kontextualisiert werden. Abgerundet wird das Projekt mit Studien zu Moscheles und Beethoven, insbesondere auch zur Wechselbeziehung von Instrument und Komposition.
Bild: Rollen für Welte-Mignon-Klaviere
Conference Report
Ein weiterer Tagungsbericht zur Konferenz Beethoven and the Piano erschien in Eighteenth-Century Music (18/2, 2021, S. 327–329). Hier Auszüge daraus:
«Last year Mark Evan Bonds described in these pages ‘the robust health of Beethoven research today’ (Eighteenth-Century Music 17/2 (2020), 302), and while the global health crisis affecting many scholarly and artistic events connected with Beethoven makes that description now seem inappropriate, there can hardly have been a better illustration of his assessment than the conference under discussion here. It once again showed that few other musicological topics can count on such a diversity of perspectives and methodologies, presented by scholars with a wide range of backgrounds and nationalities. [...] Some critics have questioned the extent to which the Beethoven scholarly community still has the ability to produce new and stimulating research, given the intense interest that the composer has enjoyed over the past century and more. This conference has shown that Beethoven’s relation to the piano remains fertile ground for scholarship, and there is no end in sight.» (Marten Noorduin)