Deutsch English Français Italiano
Zusammenfassung
Das Forschungsprojekt untersucht das Theater Feltre (Veneto) im Zeitraum von 1797 bis 1866 – in der Zeit der habsburgischen Regierung des Veneto bis zur italienischen Unabhängigkeit.
Das Theater Feltre ist erstens als Forschungsobjekt von grosser Bedeutung, weil es eines der wenigen Beispiele darstellt, in dem das originale szenische Material aus dem 19. Jahrhundert erhalten ist. Feltre ist zweitens eines der unzähligen italienischen «Provinztheater» des 19. Jahrhunderts, das mit seinem ungewöhnlichen Reichtum an Quellenmaterial zu Theaterbetrieb, Repertoire und -administration von der Lebendigkeit bis heute wenig untersuchter theatraler Praktiken zeugt. Städtische Theater sind drittens im Italien des 19. Jahrhunderts einer der wenigen Orte, an denen sich Gruppen versammeln und Veranstaltungen stattfinden können, an denen die öffentliche Meinung sich bildet, überwacht und gelenkt wird. Aus diesem Grund ist das Theater Feltre auch als Zentrum der Meinungsbildung und der soziopolitischen Organisierung von enormem Interesse.
Das Projekt erforscht die Geschichte des Theatergebäudes, seiner Innenräume, seines szenischen Materials, seiner Aufführungen und deren Organisationsformen (Direktion, Impresarios, Theatertruppen usw.), die Administration und Praktiken der Theatergesellschaft, die soziale Verortung der Theaterbesucher/innen und den Publikumsgeschmack. Dazu werden das Theater Feltre, seine Bühnenmaterialien und sein Repertoire mit einem mikrohistorischen Ansatz im soziopolitischen Kontext der habsburgischen Regierungszeit «Lombardo-Venetiens» untersucht. Besonderes Augenmerk wird auf Formen des gesellschaftlichen Lebens und die Erforschung sozialer Geflechte gelegt, die sich um das Theater Feltre und ein Netzwerk von norditalienischen «Provinztheatern» bilden. Das Verhältnis von Zentrum und Peripherie, der Vergleich mit anderen norditalienischen Theatern und Formen des kulturellen (nationalen und transnationalen) Transfers (in Bezug auf Repertoire, Musikstile, Theaterdekoration usw.) spielen dabei eine zentrale Rolle.
Spielplan der «Provinztheater»
Ab den 1830er Jahre änderte sich im Italien des Ottocento das kulturelle Panorama unter dem Einfluss anderer europäischer Theaterkulturen. Es kam zu einem verstärkten Interesse an der tragischen romantischen Oper, die nun neben Opera buffa und Komödie, die jahrhundertelang die italienische Theaterwelt bestimmt hatten, an Bedeutung gewann. Komödien wurden von nun an vor allem in kleineren Theatern oder in Unterbrechungen der Opernsaisons aufgeführt – auch weil sie geringere Kosten verursachten.
Das Repertoire eines «Provinztheaters» umfasste viele verschiedene Gattungen wie tragische und komische Opern, Komödien und Tragödien, historische Dramen, Pantomimen, Ballette, Vaudevilles und akrobatische Spektakel. Viele dieser Stücke lassen sich nicht einer einzigen Gattung zuordnen und sind visuell spektakulär gehalten. Diese Theaterformen waren häufig von Theaterproduktionen anderer europäischer Sprachregionen beeinflusst, die ins Italienische übertragen wurden.