Der Umbruch vom Natur- zum Ventilhorn dauerte in Frankreich im europäischen Vergleich relativ lange. Als Kompromiss entwickelt man zunächst Hörner, die der Spielweise des Naturhorns entsprechen, aber mehrere Tonarten in sich vereinten: die Cors omnitoniques. Im Zentrum des Projekts steht jenes Instrument, das Henri Chaussier in den 1880er-Jahren entwickelte. Darüber hinaus soll die Situation des Horns in der Bildung und Musikpraxis Frankreichs im 19. Jh. ausgeleuchtet werden.
Omnitonisch?
Mit dem Naturhorn muss je nach Tonart des Stücks, das man spielen will, ein unterschiedlicher Aufsteckbogen gewählt werden, was im Orchester nur mit Zeitverlust machbar ist. Ein omnitonisches Horn dagegen ist so angelegt, dass zwischen verschiedene beziehungsweise grundsätzlich allen (lateinisch omnes) Tonarten damit relativ unmittelbar gewechselt werden kann. Durchsetzen konnten sich die Systeme kaum, waren sie doch meist viel schwerer und unhandlicher als normale Instrumente. Zudem kam zur gleichen Zeit das Ventilhorn auf, das den Bogenwechsel ebenfalls unnötig machte. Dennoch entwickelten Henri Chaussier und die Firma Millereau in Paris in den 1880er-Jahren sehr spät noch ein omnitonisches Horn. Im Gegensatz zum Ventilhorn, das als chromatisches Instrument gedacht und gespielt wird, sollte das omnitonische Cor Chaussier zwar im Ausnahmefall ebenfalls Chromatik ermöglichen, im Grundsatz allerdings die Farben der unterschiedlichen Hornlängen sowie das Spiel mit der Hand bewahren. Dazu wurden vier Ventile eingebaut, mit denen sich sämtliche mit dem Horn gebräuchlichen Tonarten von B basso bis B alto erzielen lassen.
Für dieses Instrument komponierte Camille Saint-Saëns sein Morceau de concert op. 94 für Horn und Orchester. Mit dem im Projekt entstandenen Nachbau kann das Experimentieren nun anfangen: Welche Note soll mit welcher Bogenlänge und welcher Handhaltung gespielt werden - einen Einblick in die Möglichkeiten des Chaussier-Horns gibt das Video.