Der Umbruch vom Natur- zum Ventilhorn dauerte in Frankreich im europäischen Vergleich relativ lange. Als Kompromiss entwickelt man zunächst Hörner, die der Spielweise des Naturhorns entsprechen, aber mehrere Tonarten in sich vereinten: die Cors omnitoniques. Im Zentrum des Projekts steht jenes Instrument, das Henri Chaussier in den 1880er-Jahren entwickelte. Darüber hinaus soll die Situation des Horns in der Bildung und Musikpraxis Frankreichs im 19. Jh. ausgeleuchtet werden.
Naturhorn mit Ventilen
Ein Naturhorn zeichnet sich eigentlich gerade dadurch aus, dass es über keine Ventile verfügt. Beim Horn von Henri Chaussier war dies anders ...
Am 11. April 1891 traf man sich in der Redaktion der Pariser Musikzeitschrift «L'Orphéon» zum Duell. Nicht mit Waffen – zum Glück –, sondern mit zwei unterschiedlichen Horntypen, die für zwei Geisteshaltungen standen. Henri-Jean Garigue spielte ein Cor à pistions, ein Ventilhorn, wie man es im 19. Jahrhundert verwendete – allerdings nicht am Pariser Konservatorium, wo bis 1897 ausschliesslich Naturhorn unterrichtet wurde. Ihm gegenüber stand Henri Chaussier mit einem Horn, das zwar ebenfalls über Ventile verfügte, jedoch nicht als chromatisches Horn, sondern als Naturhorn behandelt wurde. Die Idee an diesem «cor omnitonique» war, dass man dank der Ventile augenblicklich in jede gewünschte Tonart umschalten konnte.
Das einzige erhaltene Exemplar eines «Cor Chaussier» befindet sich heute im Musikinstrumentenmuseum in Brüssel und wurde im Rahmen des Projektes von Rainer Egger erstmals vermessen und nachgebaut. Ziel des Nachbaus ist, dass das für Chaussier entstandene Morceau de Concert op. 91 von Camille Saint-Saëns erstmals wieder auf einem Horn dieses Typus zu Gehör gebracht werden kann.